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Bedrohung oder Chance?

Trends auf dem europäischen Strommarkt, die sich auf norwegische Wasserkraftwerke auswirken – Bedrohung oder Chance?

Die Energiewende – eine Bedrohung für kleine Wasserkraftproduzenten?

Der Energiesektor hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt:

Die raschen Fortschritte in der Wind- und Solartechnologie in Verbindung mit Förderprogrammen für erneuerbare Energien haben in ganz Europa zu umfangreichen Investitionen in die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien geführt. Einmal gebaut, können diese Windkraft- und Solaranlagen Strom zu Grenzkosten von fast Null erzeugen. Dies und der fallende Ölpreis haben dazu geführt, dass die Großhandelspreise für Strom in ganz Europa gedrückt werden:

In Deutschland, wo die Energiewende (d. h. die zunehmende Umstellung auf Wind- und Solarenergie) am frühesten zu spüren war, sind die durchschnittlichen Großhandelspreise für Strom seit 2010 um 65 % gesunken[1], was dazu geführt hat, dass viele Wärmekraftwerke (Öl-, Gas- und Kohlekraftwerke) vom Markt gedrängt wurden und den Betrieb einstellen mussten.

Da der Ausbau von Wind- und Solarenergie auf den nordischen Märkten später (und viel langsamer als in Deutschland) erfolgte, wurde der Effekt hier etwas gedämpft, mit einem Preisrückgang von „nur“ 50 % seit 2010. Ausgehend von den aktuellen Marktsignalen sieht es jedoch so aus, als würde sich dieser Trend in Norwegen mindestens bis 2020 fortsetzen[2]. Diese Veränderung des Marktumfelds in Verbindung mit der Senkung der Preise für El-Zertifikate[3] hat die norwegischen Kleinwasserkraftwerke unverhältnismäßig stark benachteiligt, die mit einer deutlich verlängerten Amortisationszeit ihrer Investitionen konfrontiert sind (oder damit kämpfen müssen, ihre Investitionsrendite überhaupt zu erwirtschaften).

Neue Marktchancen für flexible Erzeuger?

Gleichzeitig bieten diese Marktentwicklungen auch neue Möglichkeiten für die nordischen Stromerzeuger:

Da die Produktion von Wind- und Solaranlagen vom Wetter abhängt, schwankt ihre Produktion im Laufe der Zeit sehr stark. Die folgende Grafik zeigt, dass die deutsche Winderzeugung innerhalb eines einzigen Tages leicht um über 10 GW schwanken kann.

Folglich sind in Ländern mit einem höheren Anteil an „neuen erneuerbaren“ Energien (Wind- und Solarenergie) die Preise auf den Strommärkten stärker schwankend.

Zwar gibt es in Norwegen noch keine große Menge an Windenergie, doch ist der norwegische Markt aufgrund der bestehenden Verbindungsleitungen den Auswirkungen der Windenergie in den Nachbarländern (wie Deutschland, Schweden und dem Vereinigten Königreich) ausgesetzt. Dies ist zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass sich die Preisschwankungen[4] im täglichen nordischen Markt in den letzten 3 Jahren fast verdreifacht haben.

Das bedeutet, dass es für Wasserkrafterzeuger, die über einen Speicher verfügen, immer wichtiger wird, zum richtigen Zeitpunkt Strom zu produzieren, da der Unterschied zwischen den Stunden mit den niedrigsten und den Stunden mit den höchsten Preisen innerhalb des Jahres immer größer wird:

Im Jahr 2016 beispielsweise hatten die niedrigsten 1000 Stunden einen Durchschnittspreis von 17,28 €/MWh, während die teuersten 1000 Stunden mit 43,66 €/MWh gehandelt wurden.

Aber selbst dann ist die Volatilität im Vergleich zum übrigen Europa noch relativ moderat:

Wenn wir daran denken, dass die Volatilität auf dem deutschen Spotmarkt immer noch etwa doppelt so hoch ist wie auf dem nordischen Markt, müssen wir uns fragen, ob die Marktveränderungen, die wir in den letzten 3 Jahren in Norwegen beobachtet haben, vielleicht nur der Anfang eines größeren Trends sind?

Kontinentaleuropäische Trends kommen nach Norwegen

Mit Blick auf die Zukunft gibt es 3 Faktoren, welche die nordischen Märkte in den kommenden Jahren beeinflussen werden und die die Volatilität noch steigern dürften:

  1. Die Kapazität der Windenergie in Norwegen selbst wird zunehmen (z. B. soll der von Statkraft errichtete Windpark „Fosen“ mit einer Gesamtkapazität von 1000 MW von 2018 bis 2020 schrittweise in Betrieb genommen werden[5])
  2. Die in den Nachbarländern (Deutschland, Schweden, Vereinigtes Königreich) errichtete Windkraftkapazität nimmt weiter zu (z. B. kamen allein im Jahr 2016 in Deutschland weitere 5 GW Windkraft dazu, so dass sich die installierte Gesamtkapazität der Windkraft in Deutschland auf 45 GW beläuft)[6].
  3. Zusätzliche Verbindungsleitungen zu Ländern mit einer höheren Marktvolatilität werden derzeit gebaut (z.B. die Kabel von Nordlink und NorGer, die Norwegen und Deutschland verbinden)

Der kurzfristige Handel wird immer wichtiger

Und nicht nur der tägliche (ELSPOT) wird durch die zunehmende Zusammenschaltung und den Ausbau der erneuerbaren Energien in Norwegen beeinflusst werden:

Darüber hinaus wird die Harmonisierung der Intraday-Märkte im Rahmen des X-Bid-Systems (das laut Nordpool ab Q1/2018 zur Verfügung stehen soll) norwegischen Marktteilnehmern den Handel mit Gegenparteien aus ganz Europa ermöglichen.

Infolgedessen dürften sich auch der Intraday-Markt (ELBAS) und die regulierten Strompreise dem kontinentaleuropäischen Niveau annähern (und damit sehr viel volatiler werden). Die folgende Grafik, in der die regulierten Strompreise in Norwegen (NO1 / Oslo) mit den deutschen regulierten Strompreisen[7] verglichen werden, zeigt deutlich, wie viel größere Preisschwankungen bei einer stärkeren Vernetzung möglich werden:

Diese erhöhte Volatilität der Day-Ahead-, Intraday- und regulierte Strompreise bietet Chancen für flexible Wasserkrafterzeuger, die in der Lage sind, flexibel auf Marktsignale zu reagieren und ihre Einnahmen zu steigern.

Da in den nächsten Jahren mit einer derartigen Zunahme der Marktvolatilität zu rechnen ist, können die Erzeuger, wenn sie flexibel sind und entsprechend den kurzfristigen Marktsignalen produzieren, die höchsten Einnahmen (€/MWh) aus ihrer Produktion erzielen.

Gleichzeitig bedeuten die schwieriger zu regulierenden Strompreise auch, dass eine gute Produktionsprognose und ein angemessenes Imbalance Management ein entscheidender Faktor für den finanziellen Erfolg von Laufwasserkraftwerken sein werden.

In Teil 2 dieser Artikelserie werden wir dies anhand des konkreten Beispiels eines Kraftwerks untersuchen:

  • Wie sich die Marktveränderungen der letzten Jahre auf die Umsatzerlöse ausgewirkt haben
  • Wie flexible Erzeuger in diesem neuen Umfeld mehr Wert aus ihrer Erzeugung schöpfen können
  • Ob – unter den neuen Marktbedingungen und der neuerdings größeren Offenheit der NVE für solche Projekte – jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt ist, Ihr Laufwasserkraftwerk durch den Bau eines Speichers in ein Speicherkraftwerk umzuwandeln und welche Faktoren Ihre Investitionsentscheidung beeinflussen sollten.
  • Teil 3 befasst sich mit den Herausforderungen einer angemessenen Prognose und des Imbalance Managements für Laufwasserkraftwerke in diesem neuen Marktumfeld.

[1] Quelle: EPEX Spot, siehe http://www.epexspot.com/en/market-data/dayaheadauction

[2] Quelle: Nordpoolspot, siehe http://www.nordpoolspot.com/historical-market-data/, NASDAQ-Rohstoffe

[3] Quelle: SKM, siehe http://www.skm.se/priceinfo/history

[4] Für einen Zufallsvariablenvektor A, der aus n skalaren Beobachtungen besteht, ist die Varianz (oder Volatilität) definiert als wobei der Mittelwert von A ist:

[5] Quelle: Statkraft, siehe http://www.statkraft.com/IR/stock-exchange-notice/2016/europes-largest-onshore-wind-power-project-to-be-built-in-central-norway-/

[6] Quelle: Deutscher Windenergieverband, siehe https://www.wind-energie.de/themen/statistiken/deutschland

[7] Quelle: Amprion reBAP Ausgleichsenergiepreis, siehe http://www.amprion.net/ausgleichsenergiepreis

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